Leuchtendes Mittelalter: Band II / Katalog XXV Goldschnitt 1990

Leuchtendes Mittelalter: Band II ( Band zwei ) / Katalog XXV Goldschnitt Sechzig illuminierte und illustrierte Manuskripte des Mittelalters und der Renaissance Wer 1989 neunundachtzig libri manuscripti präsentiert, der müßte 1990 ver suchen, auf die runde Zahl von neunzig zu kommen, zumal wenn er den Titel aus dem Vorjahr fortschreibt und einfach eine Zwei dahintersetzt. Bei unserem Katalog "Leuchtendes Mittelalter II" ist jedoch die erste Ziffer bei der Zahl der Manuskripte umgedreht es sind 60, und auch mit den wenigen aus dem Vorjahr übriggebliebenen Kodizes kämen wir nicht auf 90. Woher die neue Bescheidenheit? Schon im vorigen Jahr mußte die Rede davon sein, welche immer größer werdenden Schwierigkeiten sich jedem entgegenstellen, der versucht, heute noch eine stattliche Anzahl bedeutender mittelalterlicher Handschriften zusammenzustellen. Das zurückliegende Jahr war nicht günstiger. Die großen Auktionshäuser boten nur einen Glanz punkt mit der Versteigerung der letzten Handschriften aus der berühmten Sammlung Major Abbey - und die fand schon im Juni 1989 statt, als unser erstes "Leuchtendes Mittelalter" noch gar nicht abgeschlossen war. Im De zember 1989 und im Juni 1990 lohnte die Reise nach London nicht. Aber das ist nur ein Symptom für die allgemeine Lage auf dem Markt des wirklich einzigartigen alten Buchs.1990 Eine neue Bibliothek mittelalterlicher Handschriften zusammenstellen zu wollen, scheint ein geradezu verwegenes Unterfangen. Die großen Bibliotheken und Museen in aller Welt sind zu immer reicheren Schatzhäusern alter Handschriften geworden. Viele Gelehrte haben die unübersehbaren Reichtümer gesichtet; und die zunehmend mikroskopische Sicht der Kodi kologie erweckt den Anschein, als habe auch die Wissenschaft aufgegeben, neue Kodizes zu entdecken, um nur noch das schon Bekannte sorgfältiger und eingehender zu erforschen. Zum Sammeln gehört das Abenteuer, ob man nun realiter daran geht, die Überbleibsel der Vergangenheit zu kaufen oder nur die Kenntnis darüber als Wissenschaftler anzuhäufen. Die goldenen Zeiten scheinen für Sammler ebenso vorüber wie für Historiker und Kenner. Eingeengt glaubt sich jeder, der auf bessere Jahre zurückzublicken meint. Dennoch bleibt auch heute unter erschwerten Bedingungen die Chance, Neues zu entdecken - und 89 Handschriften wenigstens für kurze Zeit im Jahre 1989 zu vereinigen, ist für Antiquar wie Kenner ein Abenteuer. Es kann dabei nicht darum gehen, allein die großen, schon weltberühmten Handschriften, die noch im Handel sind, vielleicht ein letztes Mal zu verei nigen. Sie geben sicher auch einem Katalog wie dem hier vorgelegten beson deren Glanz. Doch weiß die Welt bereits von Simon Bening und seinem groß artigen Stundenbuch für Kardinal Albrecht von Brandenburg aus der Sammlung des Viscount Astor; man wird nur verwundert sein, dieses Hauptwerk der europäischen Buchkunst als Nr. 44 genau in der Mitte der 89 Handschrif ten zu finden, die hier vorgestellt sind.